Für jeden Musiker ist die Witterung, der er sein geliebtes Instrument aussetzt, ein großes Thema. (… oder sollte es sein. 😉
Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung mit Instrumenten habe ich schon einige schlimme Dinge gesehen, die mit Harmonikas passiert ist (egal ob wissentlich oder unwissentlich), die man durch die richtige Handhabung relativ einfach vermeiden kann.

Egal ob Holz-, Aluminium- oder Kunststoff-Mechanik, ob Vollholzkorpus oder schichtverleimter Korpus, ob Holz- oder Belchverdeck: Alle Instrumente reagieren mehr oder weniger empfindlich auf Temperaturschwankungen, besonders auf Feuchtigkeit. Zu viel von letzterem ist Gift für jedes Musikinstrument, denn es bildet den Nährboden für Mikroorganismen.

Bei unsachgemäßer Lagerung oder Verwendung können viele Mängel am Instrument entstehen:

  • Zu viel Feuchtigkeit sorgt langfristig dafür, dass sich Schimmel bilden kann, der sich bevorzugt im Leder der Gurte und der Balgfalten festsetzt.
    Das beeinflusst nicht nur die Nutzungsdauer der betroffenen Gurte oder des gesamten Instruments, es riecht auch recht unangenehm und stellt durch das Einatmen der Sporen ein großes Gesundheitsrisiko dar, vor allem für Kinder!

  • Aber nicht nur Mikroorganismen werden mit der Feuchtigkeit angezogen, auch größere Lebewesen, wie z.B. kleine Insekten. Wenn diese erst mal im Korpus der Harmonika eine neue Bleibe gefunden haben, wird’s richtig unangenehm und eklig.

  • Eines der wichtigsten Bestandteile einer Harmonika stellt die Diskant-Mechanik dar. Besonders bei Instrumenten mit einer Holzmechanik (z.B. Jamnik, Öllerer, ältere Instrumente anderer Hersteller, etc.) muss ein großes Augenmerk auf verändernde Feuchtigkeitsverhältnisse gelegt werden. Bei einer Holzmechanik sitzt jeder Diskantknopf auf einem Holzstab, der mit der Ventilklappe verbunden ist.
    Verzieht sich dieser Holzstab, klemmt der Knopf, die Klappe schließt nicht mehr, und das Instrument gibt einen Dauerton von sich.
    Dieses Szenario ist ein absoluter Horror für jeden Instrumentenbauer, da es Stunde um Stunde dauert die Diskantmechanik zu zerlegen, die verspießten Holzstab abzuschleifen (damit sie wieder reibungslos in der Führung laufen) und wieder alles zusammenzubauen. Ein sehr kostspieliges Vergnügen für den Harmonika-Spieler, von dem ich dringend abrate.

  • Das Schlimmste, was einem Instrument widerfahren kann im Zusammenhang mit Feuchtigkeit ist der Rost. Durch feinen Staub, der sich mit der Zeit auf den Stimmzungen anlegt, hält sich Feuchtigkeit leichter und kann für Flugrost sorgen. Wird dieser nicht rechtzeitig & fachgerecht entfernt, kann er ernstzunehmende Schäden am Stimmmaterial verursachen.

  • Immer wiederkehrende Luftfeuchtigkeitsveränderungen können außerdem den Kleber, der den Balg zusammenhält, in seiner Kraft beeinflussen und dafür sorgen, dass der Balg aufgeht oder an kleinen Lücken die Luft ausgeht, die wir zum Spielen benötigen.

  • Starke Temperaturschwankungen & Feuchtigkeit sorgen dafür, dass das verarbeitete Holz zu „gehen“ beginnt. Mit dem Wort „Gehen“ bezeichnen Tischler üblicherweise das Verziehen eines naturgewachsenen Holzes.
    Viele Platten im Korpus einer Harmonika werden bereits schichtverleimt, sodass sie sich nicht weiter verziehen können. Doch haben wir schon öfter gesehen, dass besonders jene Platte, auf der die Diskantstimmstöcke innen sitzen, sich öfter verzieht, als man meinen mag. Das führt zum Leidwesen des Spielers zu einem höheren Luftverbrauch während dem Musizieren.

  • Hitze kann dem Instrument fast noch stärker zusetzen. Steht es zu lange in der prallen Sonne und heizt sich dabei sehr stark auf, kann das Wachs, mit dem die Stimmplatten eingefasst sind, schmelzen und an Stellen gelangen, wo es nicht hingehört. (… ein ähnlich schlimmes Szenario wie das vorher genannte.)

All diese möglichen Beschädigungen durch die Witterung lesen sich wie ein Albtraum für jeden Musiker und seien wir uns ehrlich, sie sind das absolut letzte, was wir wollen!

Wie können wir das alles also vermeiden?

  • Wir sorgen für den richtigen Schutz des Instruments.
    Beim Kauf gibt’s oft schon die erste Entscheidung zu fällen, nämlich ob das Instrument im Koffer oder Rucksack geliefert wird. Rucksäcke sind zum Transportieren der Harmonika natürlich wesentlich komfortabler als ein Koffer, aber der Schutz fällt im Koffer deutlich besser aus, da er eine abgeschlossenere Atmosphäre bietet.
    Im Koffer ist das Instrument weniger direkt den Einflüssen von Hitze, Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt, die doch deutlich schneller durch den Reißverschluss des Rucksacks hindurchkriechen.

  • Wir achten auf die richtige Lagerung.
    Die richtige Lagerung sollte etwa bei Zimmertemperatur sein und gleichbleibender Luftfeuchtigkeit, die nicht zu trocken, aber auf keinen Fall zu feucht sein sollte.

    Thema Auto: Ich selber lagere meine Instrumente nur im Sommer bei ausreichender Temperatur im Auto, jedoch nur im Koffer, ohne direkte Sonneneinstrahlung und nur maximal ein paar Stunden!

    Wird ein Instrument für längere Zeit gelagert, empfiehlt es sich es regelmäßig zu öffnen und zu lüften um Schimmel und Schädlingen vorzubeugen.

  • Wenn wir unterwegs spielen, schützen wir unsere Instrumente vor Kälte, Schnee, Nebel, Regen & starker, langandauernder Sonneneinstrahlung bzw. Hitze (z.B. Heizkörper oder Abluftkanäle).

Was tun, wenn’s bereits passiert ist?

…. hoppala, und schon hat man’s mal übersehen! Was kann passieren und was kann man sofort tun?

(Nachfolgende Tipps stellen keine Handlungsempfehlung dar. Der Ersteller des Artikels & der Betreiber der Website übernehmen ausdrücklich keine Haftung für eigenmächtig vom Leser vorgenommene Handlungen an jedweden Instrumenten. Sie sollen einen Richtwert geben, was ich mit meinen Instrumenten mache, wenn ein solcher Notfall eintritt. Der nachfolgende Besuch beim Experten ist eine sehr gute Entscheidung!)

  • Harmonika-Notfall #1 – Das Instrument ist klirrkalt!

    Bitte spielt das Instrument auf keinen Fall in kaltem Zustand!

    Die meisten würden nun hergehen und das Instrument zur Heizung stellen, wovon ich dringend abrate! Starke, schnell wechselnde Temperaturschwankungen sind nicht gut für verarbeitetes Holz. Je mehr Zeit das Instrument bekommt um sich langsam wieder aufzuwärmen, desto besser! Daher empfehle ich den Harmonikakoffer geöffnet in ein temperiertes Zimmer zu stellen und dem Instrument Zeit zu geben sich langsam zu erwärmen.
    Optional kann der Balg geöffnet werden, sodass die Erwärmung ein wenig schneller geht.

    Wenn es schneller gehen muss (weil z.B. ein Auftritt ansteht), kann folgendermaßen vorgegangen werden (Bitte mit Vorsicht und in völliger Eigenverantwortung für jedwede Schäden!): Der Balg des Instruments wird mittels Lufttastendruck geöffnet und geschlossen, sodass zimmerwarm temperierte Luft ins Instrument und wieder herausströmt. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis sich das Instrument langsam der Umgebungstemperatur anpasst.
    Dann kann ganz vorsichtig und leise versucht werden, ob die Stimmzungen schon „normal“ anschlagen, etwas verzögern, oder komische Klänge von sich geben (z.B. schnarren). Sollte letzteres der Fall sein, bitte auf keinen Fall weiterspielen, sondern das Instrument weiter aufwärmen.



  • Harmonika-Notfall #2 – Es hat plötzlich zu regnen begonnen und alles ist nass!!

    Manchmal kommt ein Regenschauer sehr unvorhergesehen & ohne die geringste Vorwarnung.

    Wenn man beim Musizieren davon überrascht wird, ist es am besten, sofort mit dem Spiel aufzuhören, den Balg zu schließen und möglichst trocken zu halten, da sich die Feuchtigkeit nicht gut auf den Karton und Kleber der Balgfalten auswirkt. Und dann sofort rein ins Trockene oder unter einen Schirm!

    Grobe Nässe am besten sofort mit einem trockenen, saugfähigen Tuch abwischen. Sollte es den Balg recht arg erwischt haben, unbedingt das Instrument mit offenem Balg stehen lassen & alles sauber austrocknen lassen um Schimmel u.ä. vorzubeugen. Allgemein empfiehlt es sich in so einem Fall einen Spezialisten hinzuzuziehen.
    In ganz schlimmen Fällen, bitte in Eigenverantwortung handeln: Ich könnte mir sogar vorstellen den Balg vorsichtig mit einem kalten bis lauwarmen Haarfön etwas rascher zu trocknen. Wichtig ist die Luft so zu temperieren, dass der Kleber nicht oder nur möglichst wenig beschädigt wird.

    Ähnlich schlimm ist es, wenn das Instrument draußen gestanden hat und es z.B. ins Diskantblech geregnet hat. Das Blech kann dann mittels je einer Schraube oben und unten gelöst werden, und separat getrocknet werden. Normalerweise sollte das Netz unter dem Blech schon relativ viel abhalten. Ist dennoch etwas Wasser hineingeraten, kann es mit einem saugfähigen Tuch vorsichtig entfernt werden. Danach offen & möglichst staubfrei stehen lassen und durchtrocknen lassen.
    Auch in diesem Fall würde ich unbedingt ehestmöglich einen Experten zu Rate ziehen!

    Wichtig: Nach dem Abnehmen des Blechs bitte NIE einen Föhn oder Druckluft verwenden, ganz besonders nicht, während ein Diskant-Knopf gedrückt wird!!!
    Dadurch wird sämtlicher feiner Staub durch die Stimmzungen nach innen geblasen, was nicht gut ist für’s Instrument!



  • Harmonika-Notfall #3 – Das Instrument stand in der Sonne und ist brennheiß!!

    Das Instrument bitte auf keinen Fall spielen oder noch viel bewegen oder herumdrehen! Am besten SOFORT aus der Sonne, möglichst in der selben Position, wie es in der Sonne stand, im Schatten abkühlen lassen und dann ab zum Experten.

    Warum ist meine Meinung in diesem Fall so riguros?
    Die Stimmplatten im Instrument werden an den Stimmstock angenagelt und mit Wachs abgedichtet. Wird das Instrument immens heiß, kann das Wachs ab einer Temperatur von etwa 62° Celsius schmelzen und im Inneren herumfließen.
    Nicht nur, dass die Stimmplatten dann nicht mehr dicht aufliegen, auch das Wachs legt sich überall im Instrument an, wo es nicht sein sollte. Und damit haben wir also wieder ein richtiges Horrorszenario für jeden Instrumentenbauer beschrieben. Bitte vermeidet daher unbedingt, dass ihr das Instrument in der Sonne oder neben einem Heizkörper lagert!


Nach den vielen Jahren Harmonika-Spielen und Unterrichten hab ich tatsächlich einige schlimme Dinge gesehen, die Besitzer ihren Instrumenten (meist unwissentlich) angetan haben. Daher bitte ich Euch von ganzem Herzen: Schaut euch um euer liebes Instrument um! Putzt und pflegt es regelmäßig lt. Herstelleranweisung und lasst auch mal eine Innenreinigung von einem Experten durchführen. Je nachdem wie viel man spielt, sollte das öfters gemacht werden um den Staub & Flugrost von den Stimmzungen entfernen zu lassen, sodass ihr lange Freude an euren Instrumenten habt.

Alles Liebe & viel Freude beim Musizieren!

Eure Sandra

Autor

  • Sandra Kaiser

    Ich bin begeisterte Musikerin, interessiere mich brennend für neue Erkenntnisse zu den Themen Wissensvermittlung, Gedächtnis & Gehirn. Ich liebe Gegensätze (uralte Volksmusik & experimentelle Musik, Mischung unterschiedlichster Instrumente & Klänge) und versuche immer wieder das scheinbar unvereinbare zu vereinen. Funfact: Ich singe seit meiner Kindheit. Dadurch kenne ich so viele Lieder & Texte, dass mir tatsächlich zu jedem Wort ein Lied einfällt. Das sorgt besonders bei den "ausgefallenen Liedern" bei Freunden & Bekannten immer wieder für Lacher. 😂

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